Was haben Pfleiderer, Böwe Systec, Schlott, ProSieben oder Oskhosh gemeinsam? Und vor allem: Was unterscheidet sie?

Ausser dass es sich um Pleite gegangene (Boewe, Schlott) oder fast pleite gegangene (Pfleiderer, ProSieben, Oshkosh) börsennotierte Mittelständler handelt ?

Waren das unvorhersehbare Opfer der großen Krise oder hätte man vorher erkennen können, dass diese Unternehmen besonders anfällig waren ?

Eine Zeitlang waren alle diese Unternehmen klare Outperformer. So haben z.b. von Ende 1997 bis Ende 2005 (inkl. der Internetkrise) Böwe mit 116% (inkl. Dividenden), Schlott mit 111% den SDAX (+52%) klar ausperformt. Pfleiderer konnte z.B. in den Jahren 2001-2005 mit 143% doppelt soviel zulegen wie der SDAX.

Alle Unternehmen gingen Anfang, Mitte der 2000er auf Akquisitionstour. Schlott mit Broschek, Böwe mit Bell & Howell in den USA und Pfleiderer mit Kunz und einer Reihe anderer. ProSieben durfte – animiert durch den Merheitsaktionär Permira die skandinavische SBS Gruppe kaufen und die Schulden gleich mitzahlen. Oshkosh verhob sich mit der Übernahme von JLG. Der große operative Hebel hatte natürlich kurzfristig nette Effekte auf die Gewinne. Dazu kamen bei allen Unternehmen Aktienrückkäufe, die einen zusätzlichen Effekt auf den Gewinn hatten.

Insbesondere in 2004-2006 hatten alle Werte schöne Gewinnsteigerungen zu vermelden und wurden dementsprechen mit recht hohen PEs gehandelt:

Gewinn pro Aktie:

Boewe Schlott Pfleiderer ProSieben Oshkosh
2003 2.69 0.77 0.10 0.19 1.08
2004 1.66 2.52 -0.14 0.63 1.57
2005 2.88 2.56 0.50 1.00 4.50
2006 2.92 2.87 1.00 1.09 2.76

Schauen wir uns im Vergleich mal die Entwicklung des Buchwertes und des Buchwerts bereinigt um immaterielle Vermögensgegenstände (Bspw. Firmenwert/Goodwill – sog. “Tangible Bookvalue”) an

klassischer Buchwert pro Aktie:

Boewe Schlott Pfleiderer ProSieben Oshkosh
2003 14.43 20.37 2.20 3.00 7.27
2004 16.53 21.89 3.21 4.58 9.13
2005 21.74 23.40 4.06 5.44 22.31
2006 20.46 24.74 8.17 5.66 14.40

Buchwert bereinigt um immaterielles:

Boewe Schlott Pfleiderer ProSieben Oshkosh
2004 0.61 7.47 1.03 2.00 1.59
2005 -19.70 8.90 -2.34 3.93 7.91
2006 -18.68 9.87 2.90 4.17 3.85

Man sieht sehr deutlich, dass insbesondere bei Boewe und Pfleiderer der Buchwert pro Aktie deutlich gestiegen ist, der “Tangible Book” aber nicht mehr anstieg (Pfleiderer) oder drastisch ins negative gelaufen ist (Böwe).

Interessant ist zusätzlich der Blick auf die Verschuldung (gemessen in Anteil Verschuldung an der Bilanzsumme):

Boewe Schlott Pfleiderer ProSieben Oshkosh
2003 44.94% 40.28% 41.45% 38.34% 6.63%
2004 39.26% 37.79% 33.09% 27.87% 7.01%
2005 29.72% 35.54% 48.66% 25.23% 2.64%
2006 32.35% 36.41% 33.34% 27.63% 6.54%
2007 33.35% 33.58% 33.07% 69.52% 47.77%

Keine der Firmen schaffte (oder wollte) es, die Verschuldung irgendwie zu reduzieren. Der freie Cashflow wurde stattdessen in Akquisitionen, Dividenden und Aktienrückkäufe gesteckt um die EPS weiter aufzuhübschen. Bei ProSieben und Oshkosh wurde im Zuge der Akquisitionen die Verschuldung sogar massiv ausgeweitet!

Was kann man jetzt als Value Investor aus diesen Beispielen lernen ?

Unseres Erachtens gilt Folgendes:

Eine Kombination aus geringem “Tangible Book”, hohen Schulden und gleichzeitig zyklischem Geschäftsmodell “zerstört” jede Art von Margin of Safety.
– Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Unternehmen sich aus einem Wirtschaftsabschwung erholt ist – wenn die Schuldenlast zu groß ist – relativ gering.
– d.h. egal wie günstig ein solches Unternehmen nach den klassischen Value Maßstäben wie KBV, KGV, KUV etc. auch sein mag, man sollte wahrscheinlich die Finger davon lassen, weil ein Totalverlust durch Insolvenz viel zu hoch ist.

Ob es sich um eine “Value-Trap” handelt ist für eine erfolgreiche Investition von entscheidender Bedeutung.
– In diesem Fall, d.h. insbesondere im Bereich von “Deep-Value” Investments (manche Marktteilnehmer sprechen auch von zuckenden Zombies) muss man insbesondere auf die “Qualität” des Unternehmens und das Potential des Unternehmens zukünftige Cashflows zu erzeugen abstellen.
Dabei ist die Überlebensfähigkeit des Unternehmens ohne Verwässerung einer Kapitalerhöhung zu Tiefstpreisen für eine erfolgreiche Anlage von zentraler Bedeutung.

Ein Hinweis auf die Überlebensfähigkeit könnte beispielsweise in der Höhe und Stetigkeit des operativen Cashflows im Verhältnis zu den Schulden pro Aktie liefern.

Leave a comment

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.