Vorbemerkung: Ich habe mir lange überlegt ob ich diesen Post überhaupt bringen soll. Es handelt sich um sehr marktenge Papiere und ich habe privat schon eine Position gekauft. Man könnte mir also nicht ganz zu Unrecht “Frontrunning” unterstellen. Andererseits ist das eine meiner besten Anlageideen und deshalb möchte ich die Position auch im Musterportfolio haben. Deshalb hier der wichtige Hinweis:
ACHTUNG: Das hier ist keine Anlage Empfehlung. Jeder sollte seine eigenen Recherchen durchführen und wenn dann nur streng limitiert ordern. Die vorgestellen Papiere sind riskant und illiquide und der Autor hat sich schon im Vorfeld privat mit einer Position eingedeckt.
Ausgangssituation:
Die WestLB ist bekanntermassen eine der erfolglosesten Banken in der Geschichte der Bundesrepublik und das sagt einiges bei der Konkurrenz (IKB, Dresdner, SachsenLB). Nachlesen kan man das ganze Elend z.B. hier.
2009 wurde ein Großteil des Portfolios in die “Erste Abwicklungsanstalt” (EAA) abgespalten und die WESTLB von den Eigentümern wieder kapitalisert. Die Abspaltung der Assets erfolgte zu Buchwerten, seitdem hat die WESTLB das bekannte Verfahren mit der EU am Hals.
Der aktuelle Stand zur Restrukturierung sieht nach meinem Verständnis wie folgt aus:
1. am 30.06.2012 wird die Verbundbank abgespalten von der jetzigen WestLB
2. bis zum 30.06.2012 können Geschäftsfelder abgespalten werden, ansonsten gehen Teile in die EAA. M.E. ist allerdings nicht klar, welche Geschäftsfelder damit gemeint sind und zu welchen Konditionen (Buch- oder Marktwert) diese Assets übergehen
3. Der Rest, der in der “alten” WestLB verbleibt wird in eine “Service Bank” (SPM) umfirmiert, geht in die Hände des Landes NRW über und managed quasi den run off inkl. der EAA
Die Kapitalstruktur der WestLB auf Konzernebene sieht aktuell wie folgt aus (siehe Geschäftsbericht 2010):
“echtes EK” 0,7 Mrd.
Stille Einlagen 3,4 Mrd (davon knapp 3 Mrd. von der SOFFIN)
Nachrangkapital 4,1 Mrd EUR
In der AG sieht es gemäß AG Geschäftsbericht so aus:
– echtes EK 1,1 Mrd.
– Stille Einlagen 3,4 Mrd.
– Genusscheine 0,5 Mrd
– nachrangige Verb. 2,3 Mrd.
Wichtig ist Folgendes: Für die Beteiligung der Instrumente am Verlust ist der Verlust auf AG Ebene relevant. Am Verlust sind anteilig das “echte” Ek auf AG Ebene (1,1 Mrd.), die stillen Beteiligungen (3,4 Mrd.) sowie die Genußscheine (0,5 Mrd.) beteiligt. Insgesamt hat man als ca. 5,0 Mrd. Kapital, das “pari passu” an einem evtl. HGB Verlust im WestLB Einzelabschluss beteiligt ist.
Als Beispiel: Würde die WestLB zum Jahresende 2011 genau 50 Mio. EUR Verlust ausweisen (1% des beteiligten EKs), würden sich alle Gattungen mit jeweils 1% des Nominals beteiligen, also die Aktien, Stille Beteiligung und Genußscheine müssten auf 1% Ihres Nominalwertes verzichten. Bei 500 Mio. Verlust entsprechend 10% usw.
Kommen wir nun zu den 2011er Genußscheinen der WestLB. Es gibt 3 davon die recht ähnlich sind:
WKNR 689941 – 6,82% emittiert 2001, 50 Mio Volumen (noch 50 Mio austehend)
WKNR 689942 – 6,75% emittiert 2001, 120 Mio Volumen (noch 89 Mio ausstehend)
WKNR 712027 – 6,90% emittiert 2001, 80 Mio. Volumen, (noch 60 Mio. ausstehend)
Alles sind sehr illiquide, vom 6.82% wird quasi nichts gehandelt, beim 6.75% gibt es ab und zu mal Umsätze, beim 6.9%er einigermassen regelmässig.
D.h. wir reden über insgesamt 200 Mio. EUR austehende Genußscheine. Das besondere an den Genußscheinen ist, dass sie prinzipiell am 31.12.2011 fällig sind, tatsächlich aber am 1. Juni 2012 zurückgezahlt werden.
Den Prospekt z.B. zum 6.90% GS findet man hier.
Wie oben schon erwähnt wurde, nehmen die Genußscheine anteilig am Verlust der WestLB teil. D.h. macht die West LB einen HGB Verlust, fällt nicht nur der Coupon aus sondern wird auch noch der Nennwert herabgeschrieben.
Im Gegenzug aber, also im Falle eines HGB Gewinnes müsste bevor noch ein Betrag in die Gewinnrücklage eingestellt werden kann, zunächst der Genußschein hochgeschrieben werden und dann die Coupons nachgezahlt werden (kumulativ).
Historisch ist Folgendes passiert:
–Bis 2008 wurden brav alle Coupons bezahlt
–2009 hat die WestLB im Einzelabschluss einen Verlust von ca. 295 Mio. EUR ausgewiesen. Auf Basis der damaligen Kapitalbasis bedeutete das einen Ausfall des Coupons und eine Herabschreibung des Nennwertes um ca. 5%.
– 2010 wurde ein ausgeglichenes HGB Ergebnis erzielt, d.h. es wurde kein Coupon bezahlt.
Einschub: Für alle die sich über die “0” wundern: In einem HGB Abschlkuss, insbesondere bei einem Finanzinstitut bestehen erhebliche “Gestaltungsspielräume” beim Erstellen der Bilanz
Zurück zu den Genußscheinen: Aktuell verbriefen sie also einen Rückzahlungsanspruch von 95% des Nominalwertes sowie theroretisch 2 ausgefallene Coupons die nachzuzahlen wären, würde ein Gewinn bis Ablauf der Laufzeit entstehen. Es existiert aber kein Nachzahlungsanspruch darüber hinaus.
Als besonderes Feature fällt für die Zeit vom 1. Januar bis zum 1 Juni noch Gewinn unabhängig eine Verzinsung von 6,9% p.a auf den relevanten Nominalwert an.
Damit haben wir im Prinzip 3 verschiedene Auszahlungsszenarien:
Variante 1 (“Schlaraffenland”): Die WestLB weisst für 2011 tatsächlich einen Gewinn aus, dann bekäme man am 1. Juni:
100% Nominal + 3 reguläre Coupons á 6,9% + nochmal 6,9% für 5 Monate, macht gesamt 100% +20,7% + 2,875% = 123,55%
Variante 2 (“Wie 2010”): Die WestLB schafft nochmal die Null, dann bekommt man:
95% Nominal + 6,9% für 5 Monate = 95%+ 2,875% = 97,875%
Variante 3 (“2009 oder schlimmer”):
95% MINUS HGB Verlust 2011/5,0 Mrd. EUR PLUS für 5 Monate 6,9% auf den dann verbleibenden Nominalwert.
Jetzt könnte man natürlich anfangen zu schätzen was denn ein möglicher Verlust sein könnte. Man kann es aber auch quasi von “hinten” aufziehen und zwar wie folgt:
Aktuell handelt der 6,9% GS bei ca. 62%, das zeigt uns, dass der “Markt” Variante 1 und 2 als unrealistisch ansieht, ganz im Gegenteil, man rechnet mit einem fixen Verlust für das Geschäftsjahr 2011 in der Höhe von ca. (Verzinsung für die 5 Monate mal aussen vor gelassen):
(95%-62%) * 5,0 Mrd. EUR = 1,65 Mrd. EUR
D.h. im Umkehrschluss: Wenn die WESTLB mehr als 1,65 Mrd Verlust macht, mache ich mit dem GS beim aktuellen Kurs ein Minus, bei einem geringeren Verlust laufe ich ins plus. Ein evtl. Verlust im GJ 2012 juckt einen als Genußscheininhaber nicht, Stichtag ist der 31.12.2011, alles was danach passiert (ausser einer Insolvenz) kann einem egal sein.
Um ein besseres Gefühl für die Eintrittswahrscheinlichkeiten der 3 Szenarien bzw. für eine Worst Case zu bekommen, muss man sich nochmal vor Augen halten, wie die Interessenslage momentan aussieht:
Momentan halten die Sparkassen und das Land NRW ca. 50/50 des echten EKs i.H. von ca 1 Mrd. EUR. Die stille Beteiligung verteilt sich zu 3 Mrd. auf den Bund und zu 500 Mio. auf externe Kapitalgeber. Zudem hat das Land NRW zugesagt, 2012 eine Mrd. von der SOFFIN abzulösen.
Jetzt schauen wir uns mal das Worstcase Szenario für die Genußscheininhaber an:
Alle anderen Beteiligten “rotten” sich zusammen und beschliessen, schon 2011 eine ordentliche Abschreibung zu machen, was in einem hohen Verlust, sagen wir mal 2,5 Mrd. EUR (50% auf alles) endet, damit man die GS Inhaber noch am Verlust beteiligt und nicht ungeschoren davon kommen. Damit würde ich als GS Inhaber nur 50% zurückbekommen und einen Verlust von -20% einfahren.
Wie wahrscheinlich ist so ein Szenario ? Folgende Gründe stehen aus meiner Sicht dagegen:
1. Traditionell halten die Sparkassen einen großen Teil der Genußscheine selber bzw. haben das ihren Kunden verkauft. Die Sparkassen selber (und die sind ja noch Hauptaktionär bei der HV für das GJ 2011) dürften kein Interesse an einer starken Herabschreibung der GS haben.
2. Für die SOFFIN wäre das auch sehr peinlich, weil sie müsste eine 50% Abschreibung auf die stille Beteiligung hinnehmen. Politisch war schon der Verlust der SOFIN aus der Hyporeal Estate in 2009 und 2010 katastrophal (siehe hier). Eine Reduzierung der Einlage um die Hälfte auf 1,5 Mrd. und dann entsprechend eine Rückzahlung der vereinbarten 1 Mrd auf dieser Basis wäre nicht im Sinne der SOFIN, da dann die Upside beim Land NRW verbleiben würde. Ich glaube die SOFFIN würde liebend gerne 2011 mal mit einem kleinen Gewinn abschliessen.
3. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Jahr noch größere Verkäufe (im Gespräch war die Westimmo an Apollo und das Mittelstandsgeschäft an Trinkaus) mit entsprechenden Abschreibungen kommen, dürfte in Anbetracht der Lage auch unwahrscheinlich sein. Für einen Notverkauf ist auch kein Grund vorhanden, weil zur Not kann man diese Geschäftsteile in die EAA ausgliedern per 30.06.2012. Vmtl. könnte das dann auch wie beim ersten Mal zum Buchwert geschehen.
4. Gemäß Pressemeldung hat die WestLB auch keinerlei Griechenlandexposure mehr in der “Good Bank”. D.h. auch die angekündigte Umschuldung dürfte hier ein Non-Event sein.
5. Eine Herabschreibung des Kapitals hätte auch weitere Auswirkungen, insbesondere wäre dann die Restbank unterkapitalisert und das Land NRW müsste gleich wieder nachschiessen.
6. Das operative Geschäft der WESTLB läuft auch nach Plan positiv, zumindest haben sie das im Rahmen des EU Stresstests gemeldet. Das EU Stresstest Dokument ist übrigens ganz lesenswert.
7. Meinem Verständnis nach droht auch keine Strafzahlung an die EU mehr, weil man ja die Aufteilung und Abwicklung der Bank versprochen hat.
Zwischenfazit: Ich glaube, dass die Interessenslage sowohl der Sparkassen, des Bundes (SOFFIN) wie auch des Landes NRW gegen eine “taktische” Verlustrealisierung per GJ 2011 sprechen. Auch “unfreiwillige” Katastrophen in einer kritischen Höhe sehe ich erstmal relativ wenig, ausser es geht noch eine große Bank richtig pleite vor Jahresende.
Von daher würde ich für einen Fair Value folgende Wahrscheinlichekiten ansetzen:
“Schlaraffenland”: 5% Eintrittswahrscheinlichkeit
“Null Ergebnis”: 80% Eintrittswahrscheinlichkeit
“Katastrophe”: 10% Eintrittswahrscheinlichkeit, Abschreibung auf 50% des Nominalwertes
Daraus ermittele ich einen Intrinsic Value von
0,05*(123.55)+ 0.85* (97.875) + 0.10 (0.52875) = 94,7%
Bei einem aktuellen Kurs von ca. 63% hätte ich also eine Upside von knapp 50% absolut bis zum 1. Juni 2012.
Noch ein kurzer Blick auf den Chart:

Tiefpunkt war im März 2009 bei ungef. 45%. Der aktuelle Kurs täuscht etwas, gehandelt wurden die stücke zuletzt zwischen 61% und 63%.
Jetzt muss man nochmal darauf hinwiesen:
DIE PAPIERE SIND EXTREM ILLIQUIDE !!!
Für das Portfolio wende ich einen Trick an:
Ich nehme 6.9% zu einem Kurs von 64% und einer Gewichtung von 5% auf. Das entspricht dem VWAP seit. 1.7.2011 und ungef. 50% des Handelsvolumens in der Zeit.
Also Kauf: 700 Tsd Nominal WESTLB 6.9% zu 64% für das Portolio.
Ich glaube das ist fair, weil man das Volumen in dem Zeitraum (in dem ich selber auch gekauft habe) durchaus erzielen konnte und man ja nicht unbedingt immer alle Transaktionen in weniger liquiden Werten ankündigen muss.
Deshalb zum Abchluss nochmal der Hinweis:
UNBEDINGT SELBER RECHERCHIEREN UND UNBEDINGT ORDERS LIMITIEREN.