Game Over Bei Sino Forest – Gedanken zu Shortselling & Auswirkungen auf Value Investoren

Letzte Woche hatte die Kanadische Börsenaufsicht quasi “den Stecker gezogen” bei Sino Forest.

Ich hatte ja diverse Male darüber berichtet. Was den Fall besonders interessant macht ist die Tatsache, dass wirklich bekannte Investoren sich hier die Finger verbrannt haben.

John Paulson, bei dem es dieses Jahr eh nicht gut läuft ist ja immerhin direkt nach dem Muddy Waters Bericht ausgestiegen.

Daraufhin meinte z.B. die große Fondsgesellschaft Wellington und ein Australischer Milliardär namens Chandler, dass sie schlauer sind und hatten trotz der recht begründeten Vorfälle erst richtig aufgestockt.

Interessant auch die bei Zerohedge veröffentlichte Liste der Analysten Ratings, wo doch auch einige namhafte Analysten noch sehr positiv gestimmt waren:

Kommen wir nun zu den Shortsellern. Den Stein ins Rollen gebracht hat ja Carson Block von Muddy Waters mit einem Bericht vom 2. Juni.

Bis dahin gab es keine Anzeichen. Die “Beteiligten” bei Sino Forest sind alles Top Adressen. Wirtschaftsprüfer ist Ernst & Young, einer der Big 4, die Gesellschaft hatte ein Rating von S&P und Pöyry, eine namhafte international Agrar-Beratung hat die (Phantom-) Wälder bewertet und ein Aufsichtsrat ist immerhin auch Aufsichtsratchef bei Glencore.

Wenn das Ganze mal vorbei ist, werden alle Beteiligten wohl sagen, dass sie nichts dafür konnten und vom Management von Sino Forest betrogen worden sind. Vielleicht ist das auch so. Allerdings haben alle eines gemeinsam: Solange der Betrug lief, haben alle kassiert. Die Prüfer, die Berater, die Investmentbanker und auch der Aufsichtsrat. Solange die Gebühren fliessen, hat auch keiner ein Interesse unangenehme Fragen zu stellen.

Echte Konsequenzen hat das auch in den wenigsten Fällen. Bei den Chinesischen Firmen ist noch die Besonderheit, dass der lokale CEO in China nichts befürchten muss, für einen Betrug im Ausland wird meines Wissens in China niemand belangt.

Interessant ist es auch, wenn man mal die Motivation der Anleger nachvollzieht. Jemand der die Aktie gekauft hat, will ganz sicher auch nichts von Betrug wissen, sondern am liebsten seine Aktie mit einem dicken Gewinn an einen anderen (Nichstahnenden) weiter verkaufen.

Der einzige, der wirklich Interesse an der Aufdeckung eines Betrugs hat, ist nur der Shortseller. Er allein profitiert, wenn er einen Betrug aufdeckt und seine leer verkauften Aktien billig zurückkauft.

Für viele ist das “verwerflich”, weil er ja so quasi am “Leid der Betrogenen” verdient. Auf den ersten Blick stimmt das ja, aber auf den 2ten Blick sollte man sich vielleicht fragen:

– verhindert er denn nicht, dass noch weitere Leute betrogen werden ?
– was ist mit denen, die vorher die Aktie gepushed haben und ahnungslose Anleger durch Kaufempfehlungen zum Kauf verleitet haben ?
– sind da nicht auch viele Anleger, die bewusst zocken obwohl sie etwas vermuten ? Ist man schuldig wenn man weiss das es Betrug ist und seine aktien noch schnell an einen weiter verkauft der das nicht weiss ?

Shortseller sind immer die einfachsten Ziele wenn die Aktien fallen. Ganz besonders Bank CEOs sind ganz schnell bei der Hand, den bösen “Shorties” die Schuld zu geben. Von der Politik wird das auch immer dankend aufgenommen, Hauptsache man hat einen Schuldigen. Relaitv typisch auch die Forderung des Deutschen Wirtschaftsministers Rösler, der anscheinend innerhalb weniger Wochen vom Gesundheitsexperten zum Finanzmarktspezialisten mutiert ist.

Stabilität in den Finanzmärkten erzielt man m.E. nicht mit dem Verbot von Short Selling, ganz im Gegenteil. Das Problem sind ja die vorhergehenden Blasen. Wie wir am Fall von Sino Forest sehen, sind die Interessenlagen so gestrickt, dass trotz aller Kontrollen nur ein Shortseller eine echte Motivation hat, eine Überbewertung oder einen Betrug aufzudecken.

Zwischenfazit: Selbstverständlich sind auch Shortseller keine “edlen Ritter”, sie sind aber m.E. einfach nur Kapitalmarktteilnehmer wie viele andere, mit einer sehr sehr wichtigen Funktion. Ein Verbot von Short Selling würde vermutlich eher das Gegenteil von Stabilität bringen, weil sich dann der Blasenbildung kaum jemand entgegen setzen würde.

Für den Privatinvestor gilt meiner Meinung nach Folgendes:

– man darf sich keinesfalls auf bekannte Namen verlassen, egal ob auf Investorenseite, Analyse, Rating oder Wirtschaftsprüfer
– wenn etwas zu gut ist um wahr zu sein (3er KGV, riesiges Wachstum, Berge von Cash etc.) ist es meistens nicht wahr
– wenn man etwas nicht versteht und es nicht wirklich erklärt werden kann, ist die Gefahr groß, dass es nicht wahr ist
– schon leiseste Anzeichen von Unsauberkeiten im Accounting können jede “Margin of Safety” in einem Investment zu nichte mache
– als Value Investor kann man die Analysen von bekannten Short Sellern nutzen, um zu erkennen ob es prinzipielle Probleme in einem Unternehmen, Sektor oder Land gibt, die eine Margin of Safety gefährden.
– als Konsequenz sind für mich z.B. China Werte mit Auslandslisting grundsätzlich uninvestierbar, ganz egal wie billig die Werte optisch sein mögen

Fazit: Short Seller haben meines Erachtens eine sehr wichtige Funktion. Als Valueinvestor kann man deren Analysen gut verwenden um die “Margin of Safety” in den eigenen Investments kritisch zu hinterfragen

One comment

  • Ich schaue sehr gerne und oft hier rein, und fast imer lohnt es sich für mich! Konkret zu Siono Forest usw.:
    Ein sehr guter Artikel mit sehr guten Schlussfolgerungen, die für viele Investortypen relvant sein dürften und die jeder für sich passend bewerten und in sein Anlegerverhalten einfliessen lassen kann. Möchte mich hier bedanken für Deine Beiträge, sie haben mir im Zusammenhang mit Asian Bamboo sehr geholfen dort ‘draussen’ zu bleiben. Bitte unbedingt weiter so!

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