Praktiker AG – Halbjahreszahlen 2011 – Cashflow & Liquidität
In der aktuellen Situation in der sich Praktiker befindet, ist der Cashflow das “A und O”. In diversen Kommentaren wird ja immer von der “komfortablen” Cashposition berichtet, die ja zum Halbjahr 300 Mio. EUR beträgt, oder wie manche so schön sagen würden “5,17 EUR Cash Pro Aktie“.
Dazu sollte man allerdings Folgendes anmerken: 150 Mio. EUR plus Zinsen müssen am 28.9. an die Gläubiger der Wandelanleihe gezahlt werden. D.h. man redet netto von 145 Mio. Liquidität die erstmal b.a.w. reichen müssen. Nochmal eine Anleihe emittieren dürfte schwierig werden.
Zurück zum Cashflow: In der Zwischenzeit habe ich das Free Cash Flow Modell von Praktiker noch etwas verfeinert. Im Vergleich zur alten Version (hier) bin ich der Meinung, dass man auch die Zahlungen an die Minorities und das Finanzierungsleasing vom Free Cashflow abziehen muss, da es sich um regelmässige Abflüsse handelt, die auch nicht einfach prolongiert werden können.
Vegleichen wir mal den operativen Cashflow Q2 2011 mit Q2 2010 in der folgenden Tabelle:
Q2 2011 | Q2 2010 | |
---|---|---|
mn EUR | ||
Op. CF | -17.0 | 74.6 |
Inv. | -14.8 | -14.7 |
Free CF | -31.8 | 59.9 |
Delta WC | 20.5 | -82.0 |
Free CF / WC | -11.3 | -22.1 |
Zinsen | -0.3 | -1.7 |
Finanzierungsleasing | -4.5 | -4.3 |
Minorities | -1.2 | -1.2 |
Free CF adj | -17.2 | -29.3 |
Es zeigt sich auf den ersten Blick ein erschreckendes Bild: Der operative Cashflow ist um ca. -92 Mio. EUR schlechter als im Vorjahresquartal. Kummuliert sind wir da schon bei –117 Mio. operativen CF im ersten Halbjahr 2011 nach +74.5 Mio. im Vorjahreszeitraum.
Würde das in dem Tempo weitergehen, wäre relativ bald der Ofen aus, das nächste Frühjar würde Praktiker dann sicher nicht mehr überstehen.
Schauen wir uns die Entwicklung des Working Capital von Ende 2009 bis zum 30.06.2010 an:
Ende 2009 | Q1 2010 | Q2 2010 | |
---|---|---|---|
Vorräte | 806.8 | 901.0 | 859.8 |
Ford. LuL | 14.4 | 15.5 | 17.6 |
Verb. Lul | 457.6 | 598.1 | 572.5 |
WC | 363.6 | 318.4 | 304.9 |
Man sieht relativ schön, wie sich das Working Capital schon im ersten Quartal abbaut um dann im zweiten Quartal “abverkauft zu werden”, was dann entsprechend Cash freisetzt.
Deutlich schlechter sieht es dieses Jahr aus:
Ende 2010 | Q1 2011 | Q2 2011 | |
---|---|---|---|
Vorräte | 789.3 | 961.6 | 924.2 |
Ford. LuL | 12.5 | 15.5 | 12.0 |
Verb. Lul | 450.8 | 589.6 | 524.0 |
WC | 351.0 | 387.5 | 412.2 |
Praktiker muss also 100 Mio mehr Working Capital finanzieren als letztes Jahr. 2 Dinge fallen besonders auf:
a) Trotz geringerer Umsätze hat Praktiker mehr Vorräte aufgebaut wie im letzten Jahr, die man aber bislang nicht verkaufen konnte
b) Die Lieferanten scheinen nicht mehr so freigiebig zu sein mit ihren Zahlungszielen.
Das ist ein wichtiger Punkt: Die 145 Mio. verbleibender Cash können relativ schnell aufgebraucht sein, wenn die Lieferanten keine Zahlungsziele mehr gewähren. Zur Verdeutlichung:
–> die 527 Mio EUR Verbindlichkeiten aus LuL entsprechen bei einem Wareneinsatz von ca. 615 Mio EUR im 2ten Quartal einem Zahlungsziel von ca. (527/615)*90= 77 Tage.
–> eine Herabsetzung des duchschn. Zahlungsziels auf 60 Tage hätte zur Folge, dass Praktiker zusätzliche 116 Mio. Working Capital finanzieren müsste. Dann wäre der schöne Cash relativ schnell weg.
Jetzt kommt es darauf an, dass Praktiker relativ schnell sein Inventar zu einem annehmbaren Preis abverkaufen kann und die Lieferanten bei der Stange bleiben. Inwiefern das der Fall ist, kann ich allerdings nicht einschätzen. Unglücklicherweise sagt Praktiker auch nirgends wie hoch eingentlich die ungezogenen Kreditlinien sind, die momenatn das allerletzte Mittel wären.
Diese Erkenntnis könnte auch der Grund sein, warum der Kurs noch stärker fällt wie die Wochen zuvor:
Fazit: Die Liquiditätslage ist nicht annähern so komfortabel wie viele glauben. Wenn Praktiker sein Working Capital nicht in den Griff bekommt, ist nach der Rückzahlung der Wandelanleihe relativ schnell Ebbe in der Kasse. Für größere Investitionen ist ohne Kapitalerhöhung vermutlich eh kein Spielraum mehr. Wichtig wäre zu wisssen, wie hoch und wie lange verfügbar die Kreditlinien sind. Ohne diese Informationen ist die Situation eine Lotteriespiel.
Danke für die tollen Analysen. Ohne euch hätte ich bestimmt schon lange reingegriffen und wäre im Buchloss. Ich warte lieber ab. Danke!
gern geschehen. Ich wil nicht schuld sein wenn du dein Buch verlierst 😉