Das Konzept von Value&Growth wird gerne regelmäßig missverstanden. Klassisches Valueinvesting nach Graham&Dodd wird meistens mit Aktien verbunden, die bspw. unterhalb Ihres Eigenkapitals notieren – oder an der Börse günstiger sind als die in der Bilanz angesammelten flüssigen Mittel abzgl. Schulden. Growth hingegen wird meist mit wachstumsstarken Unternehmen verbunden die mit einem hohen Wachstum und fantastischen Aussichten glänzen.
Wie man in den sehr empfehlenswerten Buffett-Letters lesen kann, liegt “wirklich großartiges Investieren” genau in der Schnittmenge dieser beiden Eigenschaften. Der Kern großartigen Investierens dreht sich darum, “hervorragende Unternehmen” zu einem “guten Preis” zu erwerben.
Was sich einfach anhört ist natürlich in der Praxis äußerst kompliziert. Denn eigentlich immer werden hervorragende Unternehmen nicht so billig wie “normale” Unternehmen (im Sinne von Kennzahlen wie KBV, KUV oder KGV) oder die Einschätzung von Unternehmen die ex ante “hervorragend” scheinen, erweist sich ex post als “doch nicht so hervorragend”. Mit einem einfachen Beispiel möchten wir zeigen, warum ein “hervorragendes” Unternehmen langfristig solch großen Charme hat.
Nehmen wir zwei Unternehmen A und B, von denen das Unternehmen A “hervorragend” ist. Dieses Unternehmen hat einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil, der es ihm erlaubt dauerhaft und nachhaltig überdurchschnittliche Margen von (20% ROC) auf das eingesetzte Kapital zu erzielen. Das Unternehmen B erzielt hingegen nur “durchschnittliche” Margen (5% ROC).
Beide Unternehmen beginnen mit 100€ Eigenkapital ohne Fremdfinanzierung:
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A Inc. |
B Inc. |
| ROIC |
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20% |
5% |
| 2011 |
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100.00 € |
100.00 € |
| 2012 |
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120.00 € |
105.00 € |
| 2013 |
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144.00 € |
110.25 € |
| 2014 |
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172.80 € |
115.76 € |
| 2015 |
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207.36 € |
121.55 € |
| 2016 |
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248.83 € |
127.63 € |
| 2017 |
|
298.60 € |
134.01 € |
| 2018 |
|
358.32 € |
140.71 € |
| 2019 |
|
429.98 € |
147.75 € |
| 2020 |
|
515.98 € |
155.13 € |
| 2021 |
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619.17 € |
162.89 € |
| 2022 |
|
743.01 € |
171.03 € |
| 2023 |
|
891.61 € |
179.59 € |
| 2024 |
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1,069.93 € |
188.56 € |
| 2025 |
|
1,283.92 € |
197.99 € |
| 2026 |
|
1,540.70 € |
207.89 € |
| 2027 |
|
1,848.84 € |
218.29 € |
| 2028 |
|
2,218.61 € |
229.20 € |
| 2029 |
|
2,662.33 € |
240.66 € |
| 2030 |
|
3,194.80 € |
252.70 € |
| 2031 |
|
3,833.76 € |
265.33 € |
Nach 20 Jahren hat das hervorragende Unternehmen das 14-Fach höhere Eigenkapital als das mittelmäßige Unternehmen. Wow – das ist die Macht des Zinseszins!
Setzen wir das Ganze ins Verhältnis zur Marktkapitalisierung und zum Growth&Value-Stil. Ein mechanischer Investor würde im Jahr 2011 bei folgenden Kennzahlen sicherlich zur Aktie B greifen.
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A Inc. |
B Inc. |
| MarketCap |
400 |
50 |
| |
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| KGV |
20 |
10 |
| KBV |
4 |
0.5 |
Werden beide Unternehmen in 2030 zum Buchwert zurückgekauft ist die Rendite bei Aktie A über die Laufzeit 11,9% p.a., bei Aktie B ist – trotz der erheblich niedrigeren Bewertung zum Anfang der Laufzeit 8,6% p.a. Hinzu kommt der Umstand, dass die Aktien in 2030 auch zum gleichen Multiple abgerechnet werden müssten. Es ist aber gut möglich, dass Unternehmen A – wenn es weiterhin dauerhaft einen Wettbewerbsvorteil hat – auch weiterhin ein höheres Multiple zugestanden bekommt. Um auf die gleiche Rendite wie Unternehmen A zu kommen müsste Unternehmen B in 2010 bei rund 27,50€ (KBV 0,27 KGV: 5,5) notieren.
Es zeigt sich also, dass ein Wachstumsunternehmen – wenn es durchgängig hohe Kapitalrenditen behält – auch bei hohen Bewertungen noch eine sehr gute Anlage sein kann. Hier liegt aber der “Knackpunkt” den die meisten Growth-Anhänger völlig übersehen. Ein Unternehmen wie A Inc. wird es tendentiell nur sehr sehr selten geben. Von hohen Margen wird in der Marktwirtschaft die Konkurrenz angezogen wie Bienen vom Honig. Durchgängig hohe Margen wurden in der Vergangeheit nur von sehr wenigen Unternehmen mit starken Monopolen, oder wie Buffett es so gerne nennt “Burggräben” erwirtschaftet.
Aus unserer Sicht ist die Entscheidung zwischen Growth&Value daher ambivalent. Die Gefahr zu viel für ein Unternehmen mit vermeintlich nachhaltig hohen Margen und einem vermeintlich großen Burggraben zu bezahlen ist enorm groß. Daher möchten wir uns in zukünftigen Beiträgen auch zur Nachhaltigkeit von Burggräben äußern und einen Blick hierauf werfen.